Warum ein Pop-up in einem leerstehenden Industriegebäude?
Als Kulturjournalistin und Kuratorin im Ruhrgebiet reizt mich die Idee, Räume neu zu denken. Leerstehende Industriegebäude entlang der Ruhr haben eine rohe, atmosphärische Qualität, die Ausstellungen eine besondere Aura verleiht. Sie erzählen von Arbeit, Wandel und Geschichte — und bilden dadurch einen spannenden Kontrast zu zeitgenössischer Kunst. Für mich geht es bei einer Pop-up-Ausstellung nicht nur um Kunst an ungewöhnlichen Orten, sondern um eine temporäre Begegnung: Lokalität, Publikum und Werk in einem Moment zusammenzuführen.
Die ersten Schritte: Standort, Genehmigungen und Sicherheit
Bevor ich installiere, klopfe ich an viele Türen — Eigentümer, Stadt, Denkmalschutz und Nachbarschaft. Das sind die grundlegenden Fragen:
- Ist das Gebäude zugänglich und rechtlich nutzbar? Eigentümerzustimmung und eine schriftliche Vereinbarung sind Pflicht.
- Gibt es Brandschutz- und Sicherheitsauflagen? Oft sind Feuerlöscher, Fluchtwege und eine Haftpflichtversicherung erforderlich.
- Welche Infrastruktur ist vorhanden? Strom, sanitäre Anlagen, Zugang für Transporter und Lage am Ruhrufer sind wichtige Kriterien.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass frühe Abstimmung mit dem Ordnungsamt und der Feuerwehr viele spätere Probleme vermeidet. Gerade bei alten Fabrikhallen können statische Probleme oder kontaminierter Boden auftreten — hier lohnt sich ein kurzer technischer Check durch einen Bausachverständigen.
Konzeptentwicklung: Thema, Zielpublikum und Narrativ
Ein starkes, klares Konzept ist das Herzstück. Ich frage mich: Welche Geschichte soll dieser Ort erzählen? Welche Künstlerinnen und Künstler passen in diese Erzählung? Ein gutes Pop-up hat ein prägnantes Narrativ, das durch Raum, Licht und Hängung transportiert wird.
- Thema wählen: Industrieästhetik, Flusslandschaften, Arbeiter*innenporträts oder Klanginstallationen am Wasser — das Thema sollte den Ort spiegeln.
- Zielpublikum definieren: Lokale Familien, Studierende, Sammler oder Tourist*innen? Die Zielgruppe bestimmt Veranstaltungszeiten, Vermittlungsformate und Preisgestaltung.
- Kuratorischer Fokus: Monografisch, Gruppenausstellung, lokale Talente vs. Gastkünstler*innen — ich bevorzuge oft eine Mischung aus regionalen Positionen und einem Highlight-Gast.
Praktische Planung: Zeitplan, Budget und Team
In meinen Projekten erstelle ich immer einen detaillierten Zeitplan. Für ein Pop-up reichen oft 6–12 Wochen Vorlauf:
- 2–3 Wochen Standortanalyse und Verhandlungen
- 2–4 Wochen Konzeptfinalisierung und Einladung der Künstler*innen
- 2–4 Wochen Aufbau, Techniktests und Probeöffnungen
Budgetpunkte, die häufig übersehen werden:
- Transport und Verpackung der Kunstwerke
- Versicherung und Haftpflicht
- Elektro-, Licht- und Sicherheitstechnik
- Gagen für Künstler*innen und Honorare für Technik/Aufbau
- Marketing, Beschilderung und Druckmaterial
Fördermöglichkeiten: Lokale Kulturförderungen, Projektfonds, Sponsoring durch Handwerksbetriebe oder Institutionen (z. B. Sparkassenstiftungen) und Crowdfunding. Ich nutze oft Förderportale wie NEUSTART KULTUR oder lokale Kulturförderprogramme als Startpunkt.
Raumgestaltung: Licht, Wege und Atmosphären
Eine Fabrikhalle braucht Lichtkonzept und Zonenbildung. Ich plane solche Räume in „Räumen im Raum“ — mit Trennwänden, Stoffbahnen oder modularen Kuben. Licht macht den größten Unterschied: warmes LED-Accent-Licht für Skulpturen, großflächige Projektionen in Rohflächen oder Neon für atmosphärische Akzente.
- Wegeführung: Besucher*innen sollen intuitiv geführt werden; klare Einstiegspunkte und Fluchtwege sind notwendig.
- Akustik: Hallen sind oft sehr hallig; Texttafeln, Podcasts oder Audioführungen sollten entsprechend abgemischt werden.
- Beschilderung: Informative, aber reduzierte Tafeln — gern mit QR-Codes zu weiterführenden Texten auf kulturzentrum-ruhraue.de.
Partizipation und Vermittlung
Pop-ups funktionieren besonders gut, wenn sie Partizipation zulassen. Ich plane regelmäßige Führungen, Talks und Workshops — und lade lokale Initiativen ein, sich zu beteiligen. Barrierefreie Angebote, Familienvormittage oder Workshopleiter*innen aus der Nachbarschaft schaffen nachhaltige Verbindungen.
Vermittlungsformate, die ich empfehle:
- Kuratorenrundgang mit Hintergrundgespräch
- Artist Talks und Live-Demonstrationen
- Mitmach-Stationen für Kinder und Schulklassen
- Abendveranstaltungen mit DJ-Sets oder literarischen Lesungen
Dokumentation und Öffentlichkeitsarbeit
Gute Dokumentation verlängert die Wirkung einer temporären Ausstellung. Ich arbeite mit Fotograf*innen und Videograf*innen zusammen, um Bildstrecken für Social Media und eine Pressmappe zu erstellen. Wichtige Kanäle:
- Eigener Blog auf https://www.kulturzentrum-ruhraue.de für vertiefende Texte
- Instagram für visuelle Eindrücke (Behind-the-Scenes und Eröffnungs-Content)
- Regionale Presse und Veranstaltungskalender
- Kooperationen mit lokalen Kulturvereinen und Universitäten
Tipp: Nutze einen Media-Kit-Link mit hochauflösenden Bildern, Kuratorentext und Kontaktdaten, damit lokale Redaktionen schnell arbeiten können.
Technik, Versicherung und Rechtliches
Versicherung ist kein Luxus — ich schließe stets eine Ausstellungsversicherung ab, die Transport, Diebstahl und Schäden abdeckt. Außerdem sichere ich mich mit Leihverträgen, Zustandsprotokollen und Ausstellungsvereinbarungen ab.
| Aspekt | Check |
|---|---|
| Versicherung | Ausstellungsversicherung + Haftpflicht |
| Leihverträge | Zustandsprotokoll, Laufzeit, Rücktransport |
| Sicherheitsmaßnahmen | Feuerlöscher, Notbeleuchtung, Wachdienste bei Bedarf |
| Barrierefreiheit | Zugangsinfos, alternative Vermittlung |
Nachhaltigkeit und Abbau
Ich denke früh an den Abbau: Verpackungsmaterial, Rücktransport und Reinigung. Nachhaltigkeit bedeutet auch, aus dem Pop-up positive Impulse für die Nachbarschaft zu hinterlassen — etwa durch Upcycling von Aufbaumaterialien oder Weitergabe von temporären Möbeln an lokale Initiativen.
Wie ich das Publikum erreiche
Veranstaltungen, Kooperationen mit Schulen, offene Werkstätten und Abendprogramme helfen, unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen. Wichtig ist auch, das lokale Ökosystem einzubeziehen: Cafés, Kioske und Stadtteilzentren informieren — oft effektiver als reine Online-Werbung. Eine persönliche Einladungsliste mit lokalen Kulturakteuren hat mir schon oft zu guten Eröffnungen verholfen.
Ein paar erprobte Praktiken aus der Praxis
- Probeöffnung: Eine geschlossene Preview für Presse und lokale Entscheider*innen – das schafft Gesprächsanlässe.
- Volunteer-Programm: Lokale Freiwillige als Hosts einbinden — sie sind multiplikatorenstark.
- Flexibles Ticketing: Spendenbasierter Eintritt oder gestaffelte Preise für Familien und Studierende.
- Dokumentationsstrategie: Immer ein Fotojournalist*in für Opening und Abbau buchen.
Wenn Sie möchten, beschreibe ich im nächsten Beitrag Schritt-für-Schritt meine Checkliste für den Aufbau (inklusive Packliste für Transporter und Kontaktliste für Dienstleister im Ruhrgebiet). Schreiben Sie mir gern, welche Aspekte Sie besonders interessieren — ich freue mich auf Austausch und lokale Projektideen.